Das aktuelle Sportstudio ist eine Traditionssendung, die über Jahrzehnte geprägt wurde von Moderatoren wie Dieter Kürten und Harry Valerien. Gerade diese beiden werden immer die Legenden dieser Sendung bleiben, denn sie haben in den 60er und 70er Jahren das Sportstudio im ZDF zu einer unverwechselbaren Sendung gemacht, die nicht nur jeder Sportbegeisterte kennt. Dieter Kürten hat mich 1992 gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, die Sendung ebenfalls zu moderieren. Natürlich konnte ich. Ich hatte eine eigene Fußballer-Vergangenheit als Spieler von Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach (Rufname „Knochenbrecher“) und hatte 5 Jahre Live-Erfahrung mit der Diskussionssendung DOPPELPUNKT gesammelt. Trotzdem ein mutiger Schritt der Redaktion, denn damals war ich gerade erst 26. Insgesamt 330mal bin ich nach der traditionellen Max-Greger-Sportstudio-Melodie in die Sendung gestartet. Und mehr als 21 Jahre habe ich als Moderator an der Sendung geschätzt, was dort alles möglich ist. Lange Diskussionsrunden, Studio-Aktionen, Gewinner, Verlierer, Experten, alles.
Am meisten lagen mir die Themen-Diskussionen am Herzen, für die wir uns viel Zeit genommen haben. Gespräche über Doping, Wettbetrug, Fan-Gewalt, Kommerzialisierung oder Homosexualität im Sport. Immer wieder war der Ansatz, den Sportjournalismus nicht nur auf Ereignisberichterstattung zu reduzieren. Ich habe den Sport immer als Mikrokosmus verstanden, in dem viele Themen sichtbar werden, die in unserer Gesellschaft insgesamt von Bedeutung sind.
Natürlich war es auch spannend, im Sportstudio längere Interviews mit Stars ihrer Sportart führen zu können. Zum Beispiel mit den Formel-1-Weltmeistern Michael Schumacher und Sebastian Vettel, mit Carl Lewis. John McEnroe, Björn Borg, Boris Becker und Stefanie Graf. Mit Dirk Nowitzki, Bastian Schweinsteiger, Mario Götze und Francesco Totti. Aber es geht eben nicht nur um große Namen. Heiko Herrlich war zu Gast im Sportstudio, nachdem bei ihm ein Gehirntumor diagnostiziert wurde. Mit dem Radrennfahrer Tyler Hamilton haben wir darüber geredet, was nach seinem Doping-Geständnis und seiner jahrelangen Doping-Koalition mit Lance Armstrong noch von seiner Karriere übrig ist. Mit der Skisprung- Legende Matti Nykännen ging es um die Abstürze nach seiner aktiven Laufbahn. Und der schwule Rugby-Star Gareth Thomas hat uns erzählt, was er als aktiver Spieler nach seinem Coming Out erlebt hat. Diese Offenheit für Themen, die über die aktuellen Sportereignisse hinausweisen, machen das aktuelle Sportstudio aus.
Mit den Jahren wurde es schwerer, sich von der Event-Berichterstattung kommerzieller Sender abzusetzen. Wer beispielsweise die Rechte an der Fußball-Bundesliga erhält, garantiert auch eine bestimmte Sendezeit für die einzelnen Spiele. Unabhängig davon, ob sie interessant sind oder nicht. Die Redaktion hat u.a. mit einer Verlängerung der Sendezeit reagiert. Es bleibt aber verlockend, Gäste vor allem zu den Events einzuladen, die in Kürze im eigenen Programm erscheinen. Eine noch größere Gefahr für den Sportjournalismus besteht darin, dass Verbände und Vereine versuchen, durch eigene Berichterstattung kritische Fragen durch den Journalismus mehr und mehr zu umgehen. Noch immer ist das aktuelle Sportstudio insgesamt aber für mich DER Ort, an dem alles passieren kann und der journalistisch viele Möglichkeiten bietet.
2013 war ein guter Zeitpunkt für den Abschied, unabhängig von den oben beschriebenen Entwicklungen. Warum nicht gehen, wenn noch niemand damit rechnet? Wenn es am schönsten ist? In meiner letzten Sendung waren Herbert Grönemeyer und der „Tiger“ Hermann Gerland zu Gast. Beide aus dem Ruhrgebiet. Das hat gepasst. Anschließend habe ich mit der ganzen Redaktion im Foyer des Sportstudios gefeiert. Alles war stimmig. Und ist es bis heute.