Lobby für die,
die keine Lobby haben

Wir können uns keine geschlossenen Echokammern leisten

Eine Funktion des Journalismus besteht darin, die Themen aufzugreifen, die für Menschen relevant sind. Erfüllt der Journalismus diese Funktion? Oder werden vor allem Themen aufgegriffen, die Menschen interessieren, die ähnlich sozialisiert sind wie die Mehrzahl der Journalistinnen und Journalisten? Haben Redaktionen das Ohr an den Themen, die Menschen in Deutschland und Europa wirklich beschäftigen? Die Analyse der letzten Jahre zeigt: Nicht immer. Und in manchen Fällen sogar überhaupt nicht.

Der Eindruck wird verstärkt dadurch, dass medial Funktionäre, Politiker und Experten deutlich häufiger zu Wort kommen als „normale“ Bürger. Machen in Deutschland die Eliten alles unter sich aus? Wird „dort oben“ gekungelt, während wir „hier unten“ alleingelassen werden? Gerade, weil es so einfach ist, aus diesem Gemisch eine gefährliche Empörungskultur zu schüren, müssen wir das Thema ernst nehmen.

Und wir sollten die Diskussion darüber nicht denen überlassen, die nichts Anderes wollen als eine Destabilisierung unserer Demokratie. Unsere Gesellschaft kann es sich nicht erlauben, dass die Zahl derjenigen größer wird, die sich abgehängt fühlen, „Lügenpresse“ rufen und sich in geschlossenen Echokammern vom gesellschaftlichen Diskurs mit Andersdenkenden abkoppeln.

Gerade deswegen ist es wichtig, Bürger zu Wort kommen zu lassen. Möglichst ungefiltert. Sie untereinander ins Gespräch zu bringen. Auch diejenigen, die sich im Alltag schon gar nicht mehr begegnen. Das Interesse ist da. Dies habe ich vor 30 Jahren als Moderator der ZDF-Sendung DOPPELPUNKT genauso empfunden wie heute als Gastgeber des Nachtcafés. Auch Projekte wie NRWision, einem vom Institut für Journalistik verantworteten landesweiten Bürgersender in Nordrhein-Westfalen, der 4 Millionen Menschen erreicht, zeigen, wie wichtig es ist, Bürgern selbst Raum zu geben. Wir sollten diese schlummernden Ressourcen heben und sie in den gesellschaftlichen Diskurs integrieren. Nicht in Form einer Empörungskultur, bei der gewinnt, wer am lautesten ist. Sondern indem wir uns lösungsorientiert und konstruktiv der Themen annehmen, die den Menschen wichtig sind. Welche das sind, erfahren wir am besten von ihnen selbst.

Das Nachtcafé im Portrait

Gerade den Erfahrungen von Menschen, die nicht prominent sind, sollte Gehör geschenkt werden. Das Nachtcafé ist seit Jahrzehnten ein Ort, an dem dies geschieht. Und die kontinuierlich große Zuschauerresonanz zeigt, dass es ein hohes Interesse gibt, Menschen zuzuhören, die aus ihrem Leben berichten. Jede Woche 90 Minuten für ein Thema. Wo gibt es das sonst?

Auch Prominente sind willkommen. Aber sie sind nicht wichtiger als die anderen Gäste. Sie kommen, weil sie etwas zu einem Thema zu sagen haben und nicht, weil sie etwas verkaufen wollen. Wenn Prominente zu Gast sind, diskutieren sie mit den anderen auf Augenhöhe. Hinzu kommt ein Experte als Brücke zur Wissenschaft.

„Live aus dem Alabama“ war 1984 die erste Sendung, die im TV auch unbekannten Gästen ein Forum bot. 1987 zogen das Nachtcafé im SWR und DOPPELPUNKT im ZDF als erste bundesweite Sendung nach. Für mich persönlich schließt sich mit der Moderation des Nachtcafés ein Kreis. Als DOPPELPUNKT-Moderator habe ich das Nachtcafé bereits vor Jahrzehnten als Verbündeten gesehen.

Das Nachtcafé als Ort des Gehörtwerdens

(Von Nachtcafé-Redaktionsleiter Martin Müller, Auszug aus dem Nachwort zum Nachtcafé-Buch „Familienbande“)

Was uns in der Nachtcafé-Redaktion immer mehr auffällt, ist, wie groß das Bedürfnis vieler Menschen ist, gehört zu werden. Insbesondere auch zu den ganz normalen Themen des Lebens: Wie leben wir, was ist uns wichtig, wie gestalten wir Familie, wie funktioniert Beziehung, wie ernähren wir uns, wie gehen wir mit Krankheiten um, wie wohnen wir, wie kommen wir finanziell über die Runden – um nur einige wenige Beispiele zu erwähnen.

NRWision – Mut zum Experiment!

Seit 2009 gibt es NRWision. Als Leiter des Senders und der Bürger-Medienplattform kann ich im Namen des Instituts für Journalistik der tu Dortmund nur dem Team und allen Bürgern in Nordrhein-Westfalen danken, die dieses Projekt so einzigartig gemacht haben. Was daran ist so spannend?

NRWision ist ein einzigartiger Fernsehsender. NRWision ist zugleich eine multimediale Mediathek, die zum Beispiel auch engagierten Radiomachern ein zu Hause bietet. NRWision ist zugangsoffen, partizipativ und persönlich. Das Programm ist so gut wie die Ideen der Zulieferer. NRWision ist der Sender, der das ausstrahlt, was die Menschen in Nordrhein-Westfalen interessiert. Dabei entsteht ein buntes Programm, das Platz für Themen bietet, die meist bei großen Sendern keinen Platz finden – und das gilt generationsübergreifend. Von zahlreichen lokalen und regionalen Magazinsendungen bis hin zu Special-Interest-Formaten – auf NRWision werden spannende und relevante Themen landesweit gesendet oder über die Plattform allen zugänglich gemacht.

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Aktuelle Themen

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Aktuelle Publikationen

Buch: Familienbande - Was uns verbindet, was uns trennt

Jeder Mensch wird durch seine Familie geprägt – ob er will oder nicht. Für die einen bleibt die Herkunftsfamilie ein Leben lang ein Bezugspunkt, für andere ist es wichtig, ihr so schnell wie möglich zu entfliehen. In jedem Fall bleibt sie ein Leben lang ein Thema, auch wenn längst die eigene Familien­planung erfolgt ist. Im besten Fall ist der gesamte Familien­verband, den man heutzutage glücklicherweise auf verschiedenste Arten leben und gestalten kann, eine Schicksals­gemeinschaft durch dick und dünn, ein liebevolles Miteinander voller Gemeinsamkeit und des füreinander Einstehens. Doch mitunter sind Familien auch Orte der tiefen Verletzungen und der offenen Wunden, teilweise bis zu Neid, Missgunst und blankem Hass.

Buch: Wendepunkte - Wenn plötzlich alles anders ist

Es sind diese Momente, die das Leben in vorher und nachher trennen: Der Partner, der uns verlässt, die plötzliche Kündigung, die niederschmetternde Diagnose des Arztes, der katastrophale Unfall. Einschläge, die mit Wucht unseren Alltag aufwirbeln oder gar zum Erliegen bringen. Was bis gerade eben noch unerschütterlich schien, gilt jetzt nicht mehr.
Wer hat solche Schicksalsschläge nicht selbst schon erfahren? Oder zumindest miterlebt, wenn Partner, Freunde oder Verwandte darunter leiden?

Und doch liegt in der Erschütterung oft eine wirkliche Chance. Was aber ist der Schlüssel, um aus einem Tiefpunkt einen Wendepunkt zu machen? Einen Wendepunkt zum Guten? Oft bedeutet er keine Rückkehr zum früheren Leben, denn auch unsere Werte verändern sich mit uns. Aber ist das, was wir verloren haben, wirklich nur ein Verlust? Woher nehmen Menschen die Kraft, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben?