Lobby für die, die keine Lobby haben
Medial erleben wir Zeiten, in denen häufig Zitate der immer gleichen Politiker und Funktionäre dominieren. Selbstverständlich sind Ihre Positionen und Entscheidungen relevant. Aber diejenigen, die von ihnen betroffen sind, die sogenannten normalen Menschen, haben häufig keine Lobby. Sie bekommen nicht die öffentliche Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Dabei ist das, was sie zu sagen haben, in den meisten Fällen eine Bereicherung. Denn sie sprechen nicht nur über Positionen, sondern über Erfahrungen, die ihr Leben ganz real prägen.
Gerade den Erfahrungen von Menschen, die nicht prominent sind, sollte deshalb mehr Gehör geschenkt werden. Das Nachtcafé ist seit Jahrzehnten ein Ort, an dem dies geschieht. Und die kontinuierlich große Zuschauerresonanz zeigt, dass es ein hohes Interesse gibt, Menschen zuzuhören, die aus ihrem Leben berichten. „Live aus dem Alabama“ war 1984 die erste Sendung, die im TV ein solches Forum bot. 1987 zogen das Nachtcafé im SWR und DOPPELPUNKT im ZDF als erste bundesweite Sendung nach. In den 2000er Jahren haben viele Nachmittags-Talkshows der Idee durch immer abstrusere Themen eher geschadet als genutzt. Mittlerweile entstehen wieder häufiger sogenannte „Bürgertalks“, die dem Beispiel des Nachtcafés als einzige Traditionssendung, die bis heute besteht, folgen. Das ist gut so.
Für mich persönlich schließt sich mit der Moderation des Nachtcafés ein Kreis. Als DOPPELPUNKT-Moderator habe ich das Nachtcafé bereits vor Jahrzehnten als Verbündeten gesehen. Für mich ist die Moderation dieser Traditionssendung somit weniger ein Neuanfang als die Rückkehr zu den eigenen Wurzeln. Denn bereits im DOPPELPUNKT ging es wie heute im Nachtcafé immer wieder darum, gesellschaftlich relevante Themen wie soziale Gerechtigkeit, Sterbehilfe, Wohnungsnot, religiösen Fanatismus, Probleme im Gesundheitssystem, Inklusion und Ausgrenzung konkret zu machen. Immer wieder geht es um die Frage: Wie wollen wir leben, als Einzelne und als Gesellschaft? Diese Frage beziehen wir auf alle Lebensbereiche. Auf die Liebe, die Familie, das Älterwerden, auf Tod und Sterben und die Bewältigung von Schicksalsschlägen. Auf die Werteentscheidungen unserer Gesellschaft und auf die politische Verantwortung, die wir für Menschen tragen. Kein Thema, dass für unser Zusammenleben wichtig ist, ist dem Nachtcafé fremd.