Auszug aus „Journalismus auf dem Prüfstand – gut so!“, Vorwort zum Buch „Meinung, Macht, Manipulation – Journalismus auf dem Prüfstand“, Westend-Verlag, 2017.
In den vergangenen Jahren hat sich in Deutschland mehrheitlich eine konsensorientierte Debattenkultur entwickelt. Und auch bei den großen, die Gesellschaft bewegenden Fragen herrschte in der Politik viel Übereinstimmung. Kein Wunder bei einer Koalition, die nach der Bundestagswahl 2013 fast 70 Prozent der Wähler repräsentiert und damit einer zahlenmäßig marginalisierten Opposition gegenübersteht. Und selbst diese hat viele Entscheidungen mitgetragen. Die wenigen vorhandenen Kontroversen wurden vor allem mit Argumenten ausgetragen, basierend auf belegbaren Fakten.
Nun ergeben sich einige berechtigte Fragen: Was ist mit der sogenannten vierten Gewalt? Wären die Medien in solch einer politischen Konstellation als Korrektiv nicht wichtiger denn je? Haben die großen, meinungsprägenden Medien es sich zu leichtgemacht, wenn sie sich innerhalb dieses Konsenses bewegt haben? Hätten sie nicht die Aufgabe, einer Politik, die sich gerne als alternativlos darstellt, Alternativen aufzuzeigen?
So war es nicht nur überraschend, sondern auch ein kultureller Schock, als wieder, wie zu Beginn der 1990er Jahre, Flüchtlingsunterkünfte in Brand gesetzt wurden und auf Pegida-Demonstrationen die Medienvertreter erstmals als »Lügenpresse« beschimpft wurden. Nicht nur historisch beschlagene Menschen waren empört. Denn der Begriff unterstellt nicht weniger als die bewusste, falsche Darstellung von Sachverhalten oder Meinungen. Und das ist ein Angriff auf die persönliche und berufliche Ehre. Und hat Folgen: Wer dem Anderen Lüge unterstellt, kann ihm selbst dann nicht trauen, wenn er die Wahrheit sagt. Und damit ist eine Kommunikation, die versucht, Fragen oder Probleme rational und verständigungsorientiert zu klären, fast ausgeschlossen. Die Kontrahenten begeben sich in isolierende Kommunikationsräume, in Echokammern mit Gleichgesinnten. Derjenige, der den Kampfbegriff »Lügenpresse« verwendet, behauptet, dass er zumindest weiß, dass die Aussagen der Presse falsch sind, und man darf getrost annehmen, dass er darüber hinaus von sich denkt, die Wahrheit zu kennen.